Menu
Menü
X

Geschichte der Evangelischen Frauenhilfe

Der Ursprung der Ev. Frauenhülfe steht im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Die durch die industrielle Revolution damals herbeigeführten sozialen Zustände können durch einige Stichworte gekennzeichnet werden:

  • Massenzuzug vom Land in die Industriestandorte
  • Wohnungsnot in den sich schnell entwickelnden Städten
  • Vielfach keine bzw. nur notdürftige Absicherung der Arbeiter und ihrer Familien bei Krankheit, Unfällen und Invalidität
  • Kein, bzw. mangelhafter Kündigungsschutz für die Arbeitsplatzinhaber
  • Zunächst kaum staatliche gesundheitspolitische Vorsorge, keine Arbeitslosenversicherung
  • Nur wenige große Unternehmen schufen Betriebskrankenkassen und Hilfsvereine bereits in der Mitte des 19. Jh

 

Diese Entwicklung führte in den Großstädten teilweise zu einem heute kaum mehr vorstellbaren Massenelend welches die armselige Lage der Landarbeiter bei weitem unterschritt. 


Kirchlicherseits initiierte Hilfsmaßnahmen
 

Während sich in der Katholischen Kirche insbesondere der Mainzer Bischof Emanuel Ketteler der sozialen Frage der Gesellen annahm, widmete sich innerhalb der Ev. Kirche vornehmlich der Pastor Johann Hinrich Wichern im Rahmen der Inneren Mission der Verbesserung auch der Lage der Arbeiterschaft. Eine stattliche Reihe evangelischer Unternehmen/r entwickelte eine Pionierrolle in der deutschen Sozialpolitik, wie Krupp, Gutehoffnungshütte, Siemens und Ernst Abbe von der Fa. Carl Zeiß, Jena, um nur einige zu nennen. In der verfassten Ev. Kirche selbst wurden insgesamt gesehen nur vereinzelt Stimmen laut, die auf eine Mitverantwortung der Gesellschaft für die Notleidenden hinwiesen. Nicht wenige der betroffenen Menschen fühlten sich auch von ihrer Kirche weitgehend verlassen und wandten sich von ihr ab. 

Anfänge der Frauenaktivitäten in der Ev. Kirche 

Schon in der ersten Hälfte des 19. Jh. hatte sich eine kleinere Anzahl kirchlicher Frauenvereine auf Ortsebene gegründet, die sich als Nothelfer christlicher Nächstenliebe betätigten. Doch erst auf Initiative der Gattin Wilhelms II., der Kaiserin Auguste Viktoria, geb. Prinzessin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, kam es im Jahre 1888 zur Gründung des Evangelisch-Kirchlichen Hülfsvereins mit dem Sitz in Potsdam. Ein wichtiges Anliegen war die Bekämpfung der religiös-sittlichen Notstände in Berlin und anderen Großstädten, insbes. auch im Ruhrgebiet, durch die Unterstützung eines intensiven kirchlichen Gemeindelebens. Auguste-Viktoria bekundete die Ansicht, "daß für die kirchliche Liebesarbeit die persönliche Tätigkeit unserer Frauen und Jungfrauen besonders geeignet ist z.B. durch hingebende, praktische, stille Liebesarbeit an den Armen und Verlassenen, Notleidenden und Kranken", zit. nach I. Bauch, K.R. Durth, Herausg.: "Die Zukunft der kaiserlichen Idee". 

Bereits ein Jahr später hatten sich in den verschiedenen Landeskirchen 85 Vereine dieser Frauenhülfe gebildet. Im Jahre 1908 wurden die ersten Erholungsstätten für Frauen und Mädchen eröffnet (später Müttererholungsfürsorge). Eine innere Verbundenheit zur Kaiserin und die bestehende Nähe zwischen Thron und Altar waren sicherlich wesentlich mit ausschlaggebend für die Gründungserfolge der neuen Vereine. Auch die Ziele der Arbeit der alten Frauenhülfe waren schon konkret festgelegt worden: Die Frauen sollten ehrenamtlich in den Gemeinden auf karitativem und sozialem Gebiet arbeiten, die Geistlichen bei der Arbeit in der Kirchengemeinde unterstützen und für den Pfarrer eine sehr schätzenswerte Hilfstruppe darstellen. Die Arbeitsfelder bestimmten sich durch die örtlich anfallenden Probleme und die Leistungskraft der Frauen. Dazu gehörten die materielle und persönliche Unterstützung von Diakonissenstationen, Einrichtung von Kindergärten und Gemeindehäusern, Näh- und Strickschulen, aber auch von Nachbarschaftshilfe, Armen- und Krankenpflege. Dagegen scheint die gemeinsame Bibellektüre und die Befassung mit theologischen Fragen für die Frauenhülfe während der Zeit des Kaiserreiches noch keine allgemeine Rolle gespielt zu haben, jedoch stand die religiöse Besinnung der Helferinnen erkennbar im Vordergrund. Ihr Tun sollte zugleich als ein Öffentliches Bekenntnis zur Ev. Kirche gesehen werden und damit auch ein Gegengewicht zu den umfangreichen karitativen Institutionen der Katholischen Kirche bilden. In ihrer gesamten Ausrichtung war die damalige Frauenhülfe wohl die konservativste ev. Frauenorganisation und von einem wenig vorwärtsgerichteten Gesellschaftsbild geprägt, welche die "Industrie- und Stadtkultur als familienzerstörende Kräfte" ablehnte. 

Das prinzipielle Schweigegebot des Paulus für die Frauen in der Gemeinde, wurde hingenommen und dem gemäß auch die Frauenbildung auf den Bereich karikativer und sozialer Einsatzgebiete beschränkt.

Aus einem Flugblatt vom Jahre 1908 

Sehr aufschlussreich ist ein Flugblatt der Frauenhülfe mit der Überschrift: "Was ist und was will die Frauenhülfe?" Es heißt dort u.a.: "Die Frauenhülfe will den Blick und die Fähigkeit der Frau für die Pflichten der christlichen Liebe in der Gemeinde wecken. Sie will aber die Ausübung dieser Pflichten nicht verbinden oder benutzen zur Erreichung von Rechten, am wenigsten von solchen Rechten, die auf dem Gebiete des Öffentlichen Lebens liegen. Mit dem, was man heute Frauenbewegung nennt, hat sie nichts zu tun und will sie nichts zu tun haben." Die Landesfrauenpfarrerin Silvia Puchert kommentiert: "Für die Frauen gab es nach Vorstellung der männlichen Leiter nur das Vorrecht, 'die heiligsten Güter der Religion hochzuhalten und zu pflegen und damit die himmlischen Rosen ins irdische Leben zu flechten.'" 

Obgleich die Anfänge der "Frauenhilfe" in der Zeit nach dem Jahre 1900 sich zunächst noch innerhalb enger Ziele bewegten, haben sie gleichwohl einer breiten Basis von Frauen die Entwicklung eines Weges mit beachtlicher Selbständigkeit ermöglicht, wie ein Vergleich mit der später wiederzugebenden Präambel der Satzung der Evangelischen Frauenhilfe zeigen wird. 

Nach einem guten Jahrzehnt des allgemeinen Wachstums im Dachverband zählte die Frauenhilfe bereits 250.000 Mitglieder und stellte damit den größten weiblichen Wohlfahrtsverband in Preußen dar. Die Gründe für die recht erfreuliche Entwicklung sieht die hessen-nassauische Landespfarrerin Sylvia Puchert neben dem Prestigegewinn durch die Schirmherrschaft der Kaiserin darin, dass sich für die Frauen Möglichkeiten boten, sich außer Haus zu treffen und gemeinsame Aktivitäten trotz der Anstrengung für Familie und Alltag zu entfalten. 

In der Kirchengemeinde konnten insbesondere die nicht erwerbstätigen Frauen in erheblicher Selbständigkeit mitwirken und dafür Anerkennung und örtliches Ansehen gewinnen. Hinzu kam ein nur geringer Mitgliedsbeitrag, da die einzelnen Vereine selbst festlegten, was sie zahlen wollten oder konnten. 

Hierin sieht Puchert die Voraussetzung dafür, dass sich auch innerhalb eines "wenig fortschrittlich bzw. emanzipatorisch geprägten Netzes von Frauen" dennoch ein Freiraum entwickeln konnte, der "den Boden für den heutigen emanzipatorischen Ansatz Evangelischer Frauenhilfe bereitete".

1916 – Umbenennung der "Frauenhülfe" in Frauenhilfe

Noch während des 1. Weltkrieges wurde die "Evangelische Frauenhilfe – Gesamtverein e.V." mit erneuertem Namen und Unterteilung in Landes-, Kreis-, Stadt- und Ortsverbände umgegründet und damit eine Trennung vom EKH (Evangelischen Hilfsverein) eingeleitet, dessen Vorsitzender zunächst auch noch Vorsitzender der Frauenhilfe blieb, bis sich die Selbständigkeit durch weitere Trennung vom Hilfsverein im Jahre 1923 durch die finanzielle Eigenständigkeit der Frauenhilfe vollzog. 

Seit 1919 war der Gesamtverein mit Sitz in Potsdam auch zur Koordinierungszentrale für die Landesverbände geworden. Schließlich wurde 1925 die Beteiligung der Frauen ausdrücklich in die Satzung aufgenommen und Anfang 1926 Gertrud Stoltenhoff zur ersten weiblichen Vorsitzenden gewählt. Damit war der organisatorische Verselbständigungsprozess der Frauenhilfe innerhalb der Evangelischen Landeskirche zunächst weitgehend abgeschlossen.

Weiterentwicklung zur Eigenständigkeit und zur Professionalität (Berufsqualifizierung) 

Hierzu berichtet Puchert in ihrer Abhandlung: "Aus dem Ort Roßbach im Westerwald ist mir kürzlich bei einem Jubiläum folgendes erzählt worden: Nach dem Ersten Weltkrieg stand eine junge Frau aus dem Ort als Witwe da, die nicht wusste, wie sie sich und ihre Kinder ernähren sollte. Die Idee, dieser jungen Frau eine Ausbildung als Gemeindeschwester zu ermöglichen, kam aus der Frauenhilfe, in der inzwischen nahezu alle Frauen des Dorfes Mitglied waren. Die Frauen legten zusammen und finanzierten die Ausbildung der jungen Witwe im Wiesbadener Paulinenstift. Sie ist dann jahrzehntelang im Dorf als Gemeindeschwester tätig gewesen." – Sowohl in der Müttergenesung als auch in der Bildungsarbeit in den Mütterschulen erstreben die Frauen eine gute berufsqualifizierende Betreuung. 

Trotz erheblicher Eigenständigkeit der Ortsvereine der Frauenhilfe spielten selbstverständlich die Pfarrer in der Bibelarbeit die wichtigste Rolle in fast allen Kirchengemeinden. Aber auch hier wurde der Weg zur qualifizierten Ausbildung, insbesondere durch die Arbeit von Maria Weigele, erfolgreich beschritten. Sie förderte in den Jahren 1926 bis 1946 mit ihrer Idee der "Bibelarbeit mit Frauen" und dem bewussten Ansatz der Bibelauslegung für Laien in ihrer Bibelschule beim Gesamtverband in Potsdam das theologische Denken von Frauen und hat damit die Evangelische Frauenhilfe wesentlich geprägt. 

In ähnlicher Weise hat Anna Paulsen im hessischen Burckardthaus Gemeindehelferinnen unter Vermittlung qualifizierter theologischer Wissenselemente ausgebildet, die diese später wiederum an die Gemeinde weitergaben. 

Fast selbstverständlich haben sich in den allermeisten Gemeinden die Pfarrersfrauen insbesondere in der Frauenhilfe mehr oder weniger aktiv, manchmal auch dominierend, zur Verfügung gestellt und viele anregende Ideen gegeben und realisiert. In vielen Kreis- und Landesverbänden sind Pfarrersfrauen nach wie vor Vorsitzende oder Stellvertreterinnen. Im Jahre 1999 waren die Vorsitzende der Evangelische Frauenhilfe in Deutschland, ebenso wie ihre beiden Stellvertreterinnen, Frauen von Pfarrern. 

In zunehmendem Maße wurde in den letzten Jahren die aktive Mitarbeit auch von Pfarrerinnen und Pfarrvikarinnen in besonders prägender Weise bemerkbar.

Die Evangelische Frauenhilfe in der Gleichschaltungsphase von 1933-1945  

Zu Beginn der Regierungsübernahme durch die Nationalsozialisten und die Deutschnationalen am 30.1.1933 zählte die Evangelische Frauenhilfe als größter konfessioneller Frauenverband Deutschlands eine Million Mitglieder. Der Reichgeschäftsführer der Frauenhilfe, Hans Hermenau, versandte von der Reichgeschäftsstelle in Potsdam Rundschreiben mit Leitsätzen und Forderungen und behauptete: "Der nationalsozialistische Staat ist uns Erfüllung aller Wünsche." Doch konnte sich dieser Reichgeschäftsführer nicht auf Dauer durchsetzen. Anfang 1935 trennte sich, unter Initiative von Agnes von grobe, das Evangelische Frauenwerk mit Protest gegen die Kirchenpolitik der Deutschen Christen von der sogenannten Reichskirche. 

Schwere Zeiten, mit starken Behinderungen durch den Nationalsozialismus, prägten sodann die Jahre der NS-Zeit. 

In der Frauenhilfe vorhandene Kleinkinderschulen und Pflegestationen wurden zwangsweise in die Betreuung und Verwaltung der NS-Frauenschaft überführt. 

Lediglich zum Bibelstudium durften sich die Frauenhilfegruppen noch treffen. Geselligkeitsveranstaltungen, einschließlich des gemeinsamen Kaffeetrinkens, wurden verboten. Ein Teil der Gruppen ließ daraufhin ihre Arbeit ruhen, andere gingen konform mit der NS-Frauenschaft und führten gemeinsame Veranstaltungen durch, bei denen nach außen hin die Frauenschaft allein in Erscheinung trat. 

Dort, wo die Frauenhilfefrauen sich noch allein trafen und den Rest ihrer bis dahin selbständigen Arbeit nicht ruhen lassen wollten, wurden lediglich die Bibelarbeit im Sinne von Maria Weigele betrieben und die Vereinszeitschrift "Der Bote für die evangelische Frau" gelesen. Darüber hinaus gehende Aktivitäten wurden nicht mehr geduldet. 

Trotzdem haben manche Gruppen indirekten Widerstand geleistet und Verfolgten, auch jüdischen Familien, geholfen. Doch fand dies meistens dann statt, wenn der zuständige Pfarrer hierzu ermutigte. 

Frauenhilfe in der Nachkriegszeit 

In den ersten Jahren nach l945 musste, wie vieles andere auch, die Tätigkeit der Frauenhilfe wiederbelebt werden. Vielerorts gelang es, Kindergärten und Schwesternstationen mit Hilfe der z.T. noch vorhandenen Frauenhilfeorganisationen wieder zu eröffnen. Auch in der Flüchtlingsunterbringung und –versorgung engagierte sich eine erhebliche Anzahl von Frauenhilfegruppen. Noch bestehende Bibelarbeitsgruppen erweiterten wieder ihre Tätigkeit. Obgleich die Währungsreform 1948 die Arbeit des Nassauer Verbandes der Frauenhilfe finanziell stark in Bedrängnis brachte, wurde die ehrenamtliche Arbeit weithin aufrechterhalten. Die Frauengruppen in Hessen-Nassau übernahmen eine Partnerschaft mit der Frauenhilfe in Brandenburg. Diese mussten ihren Status als besonderer Verein ruhen lassen und arbeiteten ganz überwiegend nur noch allgemein als Werke der Ev. Kirche, d.h. in unselbständiger Form. 

Im Jahre 1948 legte §15 der neuen Grundordnung die Grundlagen der gemeinsamen Arbeit der Frauenhilfe in Ost und West fest. Im darauf folgenden Jahr wurde die Änderung des Namens von "Reichsfrauenhilfe" in "Evangelische Frauenhilfe in Deutschland" vorgenommen. Die Rückführung in einen se1bständigen Frauenhilfeverein konnte, selbst nach der Wiedervereinigung 1989, überwiegend nicht durchgesetzt werden. 

Auch die westdeutschen Verbände nahmen unterschiedliche Entwicklungen, so dass Frauenwerk und Frauenhilfe mitunter deutlich getrennt agierten und die finanzielle Anbindung an die jeweilige Landeskirche unterschiedlich und z.T. unübersichtlich wurde. Der Sitz des Gesamtverbandes (früher Potsdam), wurde nun nach Düsseldorf-Kaiserswerth verlegt. Doch die inhaltlichen Hauptaufgaben blieben überall: Die Müttergenesung, gemeindebezogene Frauenarbeit und Bildungsarbeit. 

Von großer Bedeutung für die Frauenhilfe in Deutschland war das von Elly Heuss-Knapp 1950 gegründete überkonfessionelle Müttergenesungswerk. Dabei blieb bei der Müttergenesung der seelsorgerliche Charakter der Mütterkuren mit Heilung für Geist, Körper und Seele erhalten, der nach Landespfarrerin Sylvia Puchert ein wichtiges Anliegen der Ev. Frauenhilfe war; solange die Mitträgerschaft vieler Kurhäuser durch die Frauenhilfe gewährleistet werden konnte. 

Fortentwicklung der Arbeit der Ev. Frauenhilfe in der modernen Gesellschaft 

Nach 1950 orientierten sich nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in Kultur und Bildung die Menschen neu. Der starke Bedeutungsgewinn des individuellen Freizeitverhaltens, ließ in der gemeindebezogenen Frauenarbeit mitunter Konkurrenzen zu Frauenhilfegruppen. entstehen. Die frühere selbstverständliche Nachfolgebereitschaft der Töchter in die Frauenhilfe-Mitgliedschaft der Mütter, wurde zunehmend geringer. 

Auch durch die stärkere Professionalisierung (hauptberufliche Ausübung) in Diakonie, Schwesternstationen und Kindergärten, musste die Arbeit anderen Trägern überlassen werden. Dagegen bildeten Kinderpatenschaften, Hausaufgabenhilfe, Besuchsdienst, insbesondere bei Kranken, neue Aufgabenfelder für Frauenhilfegruppen; vielfach auch das ökumenische Vorbereiten und Feiern des Weltgebetstages, seltener die Organisation von Basaren. 

Ab der Mitte der sechziger Jahre erhielt auch die Bildungsarbeit der Frauenhilfe ein zunehmendes Gewicht. Außer mancherorts angebotenen Tagungen, Kursen und Seminaren, zu biblischen und gesellschaftlichen Themen, entwickelten sich ebenfalls aus Nähschulen, Koch- uns Pflegekursen, nunmehr Mütterschulen, die heutigen hauptberuflich geleiteten Familienbildungsstätten. Diese sind ein Ort aktiver Gemeinschaft, vor allem von Müttern und Kindern, aber auch von Vätern, Großeltern und Paaren. Die Ev. Frauenhilfe in Hessen und Nassau e.V. ist Trägerin von fünf Familienbildungsstätten in Wiesbaden, Friedberg/Bad Nauheim, Gießen und der dezentralen Familienbildung in Offenbach.

Zur Entwicklung der Ev. Frauenhilfe Semd 

Wie mir die im 88. Lebensjahr stehende Frau Lisette Eidmann, geb. Zacheiß, Kurt-Schumacher-Ring 45, Semd, in einem aufgrund ihres guten Erinnerungsvermögens sehr aufschlussreichen Gespräch mitteilte, wurde die erste Semder Gruppe der Frauenhilfe in den Jahren 1920/21, auf Initiative von Pfarrer Becker, Groß-Umstadt, gegründet. Nach ihren Angaben setzte sich der Vorstand aus folgenden Gründungsmitgliedern zusammen: 

Frau Marie Zacheiß (Mutter von Lisette Eidmann), Frau Lisette Dintelmann (Mutter von Elise Melchior), Frau Lisette Müller (Mutter von Lisette Rhein), Frau Margarete Müller (Mutter von Margarete Coy), Frau Elise Müller (Mutter von Margarete May), Frau Marie Vogel (Mutter von Marga Kosinsky) und Frau Lina Sorg, welche auch den Vorsitz übernahm. 

Anfangs wurden die Zusammenkünfte, die zunächst als "Mutterabend" bezeichnet wurden, in der Schule, Grafenstrasse, 1. Stock, nur in den Wintermonaten, einmal wöchentlich durchgeführt. In den Folgejahren wurde die Semder Frauenhilfe vielfach auch Frauenverein genannt. 

Pfarrer Becker leitete regelmäßig, zusammen mit Frau Sorg, die Mutterabende und hatte manchmal, infolge der verschneiten Wege, Schwierigkeiten von Umstadt nach Semd zu kommen. Mitunter mangelte es ihm auch an Fahrgelegenheiten. 

Jeweils im Frühjahr wurde, zum Abschluss der Zusammenkünfte, eine kleine Feier mit Kaffee und Kuchen veranstaltet. Zur Ausgestaltung dieser Abende, trugen die Lehrerin, Frl. Erna Scior, durch Gesang und Herr Georg Voltz sen. am Klavier bei. 

Wesentliche Unterstützung erfuhr auch der Frauenverein durch die Diakonisse Minna Haug, die etwa zehn Jahre in Semd als Gemeindeschwester segensreich wirkte und auch den Kindergottesdienst leitete und u.a. eindrucksvolle Krippenspiele einstudierte, die heute noch bei Hochbetagten in Erinnerung sind. 

Fast alljährlich wurden u.a. Ausflüge unternommen. Das Foto oben rechts, mit über vierzig Teilnehmerinnen aus Semd und Groß-Umstadt, wurde anlässlich einer Rheinfahrt im Jahre 1924 aufgenommen. Die Arbeit der Semder Frauenhilfe, in der Zeit von 1933-45, unterlag ähnlichen Einschränkungen wie im gesamten damaligen Reich. Auf die Verhältnisse während der NS-Zeit wurde bereits oben im Text hingewiesen. Wie allgemein im Reichsgebiet, gingen fast alle Aktivitäten in Frauenfragen in die Zuständigkeit der NS-Frauenschaft über. 

Im Jahre 1962 ergriff Pfarrer Schulz die Initiative zur Wiedergründung der Semder Frauenhilfe. Der Chronik der Ev. Kirchengemeinde Semd, zum 200. Kirchweihjubiläum (1993), S.51, wird hierzu entnommen: 

Den Vorsitz (der Frauenhilfe) führten seitdem: 1962 - 1964 Anna Poth, 1964 - 1979 Marie Mohrhard, 1979 - 1981 Klara Klischat. Seit 1981 übt Frau Else Vogel dieses Amt mit großem Einsatz aus." Nach der im Jahre 1995 aus Altersgründen erfolgten Niederlegung des Vorsitzes durch Frau Vogel übernahm Frau Marianne Gölz diese Funktion. Mit viel Engagement und Einfallsreichtum hat sie seitdem die Frauengruppe erfolgreich geleitet.  Die Verfasserin und die weiteren, inzwischen einhundert Mitglieder, hoffen, dass ihr die Kraft gegeben werden möge, das Amt noch viele Jahre mit Freude wahrzunehmen. 

 

Über die Autorin: Frau Anneliese Schimmelpfennig, Jahrgang 1929, lebte in Semd und war dort in der Frauenhilfe aktiv. Sie schrieb regelmäß für den ev. Gemeindebrief Semd.  

 

 

 

 

 

top